Erste Taube Kunstvermittlerin Deutschlands
Mein Name ist Martina Bergmann. Ich habe vor 25 Jahren angefangen, in der Hamburger Kunsthalle zu arbeiten. Das war eigentlich ein Zufall. Durch eine Tagung in Paris, an der die Hamburger Kunsthalle teilnahm (der Leiter des Museumspädagogischen Dienstes), wurde man dort auf das Angebot von Führungen (im Louvre und Musée d’Orsay) durch Taube Kunstvermittler*innen in Gebärdensprache aufmerksam. Dieses Format mit direkter Kommunikation in Gebärdensprache fand er toll. Hier in Hamburg gab es damals nur ab und zu in der Kunsthalle Führungen, die mit Gebärdensprachdolmetscherinnen angeboten wurden, das war am Anfang gut, aber später nicht mehr ideal. Und auch teuer. Er (Thomas Sello) pochte auch darauf, dass es besser sei, Taube Menschen selbst zu fördern, da die Form der direkten Kommunikation zu bevorzugen sei. Doch wo konnte man schon zur damaligen Zeit als Taube Person Kunstgeschichte erlernen? Durch Zufall kam ich bei einem Besuch der Kunsthalle in Kontakt mit dem Leiter der Museumspädagogischen Abteilung. Er war sehr freundlich und zugewandt, allerdings war die Kommunikation schwierig, wir behalfen uns mit Aufschreiben. Wir kamen auf verschiedene künstlerische Themen, mit denen ich mich gut auskannte, weil ich in einer sehr kunstinteressierten Familie aufgewachsen war. Schon von klein auf besuchte ich verschiedene Museen zu Kunst, Geschichte und Ethnologie. Die Vielfalt der Museumslandschaft in Berlin war mir gut in Erinnerung geblieben.
Aber ich hatte das Problem, das ich nicht wusste, wie ich anfangen sollte, selbst Führungen zu geben. Ich hatte zwar privat mein Wissen, aber hatte keine Ahnung, auf welche Art und Weise ich dieses vermitteln sollte. Damals gab es für Taube Menschen keinerlei Angebote auf diesem Gebiet und ich war auf mich allein gestellt. Für Hörende war es viel einfacher, da es alles in ihrer Sprache (deutsche Lautsprache) gab. Mir war es wichtig, mein Wissen und meine Begeisterung zu teilen und ich wollte einfach erzählen und vermitteln, was ich wusste. Ich war aber trotzdem unzufrieden damit und es war ein enormer Lernprozess, die richtigen Vermittlungstechniken zu finden. Was mir dabei aber eine große Hilfe war, waren die Pressekonferenzen und Einführungen, bei denen die unterschiedlichsten Direktor*innen, Kurator*innen und Künstler*innen dabei waren. Sie alle brachten ihren eigenen Charakter ein. Die unterschiedlichen Stile zu sehen, war für mich verblüffend und sehr prägend. Durch die Pressekonferenzen und Führungen bekam ich auch Texte an die Hand, z.B. die Texte der Audioguides, die ich dann kürzte und verwenden konnte. So konnte ich das dabei Erfahrene mit meinem vorhandenen Wissen zu kreativen Erzählungen bei eigenen Führungen verbinden. Zufrieden war ich noch nicht, auch nicht mit meiner Vortragsweise. Es war einfach noch nicht perfekt und es brauchte letztlich noch vier, fünf Jahre Zeit des Lernens und Verbesserns. Und nun sind es schon über 25 Jahre Erfahrung, die ich habe. Aber ich bin heute immer noch aufgeregt, das bleibt. So hat es jedenfalls angefangen, es ist ein Lernprozess. Die richtige Form finden muss jeder und jede nach eigenem Gefühl.
Was auch viel Arbeit und vieler Überlegungen bedarf, ist die Zusammenstellung des Programms. Das braucht viel Vorbereitung und Gespür, viel Lesen und natürlich das vorherige Besuchen der Ausstellungen. Angefangen hat es mit der Kunsthalle. Doch dann bekam ich Anfragen von Tauben Leuten, die sich auch für diese und andere Ausstellung in anderen Museen interessierten. Nun, meine Stärken sind Kunst, Fotografie und Geschichte und auch die ethnologischen Themen mag ich sehr. In der Vorbereitung merke ich dann, dass ich diese verschiedenen Themengebiete miteinander verbinden kann und mein Wissen aus über 20 Jahren viele Anknüpfungspunkte bietet. Ich liebe Kunst sehr und meine Augen und mein Geist brauchen diese Form der Nahrung einfach. Und ich führe auch heute noch sehr gerne weitere Museumsgespräche durch.
(Ergänzungen in Klammern = zusätzliche Informationen von Martina Bergmann)